Historische Demenz
In der aktuellen Ausgabe der Jungen Freiheit schildert Nicolaus Fest, wie er sich während des Wahlkampfs für seine Bundestagskandidatur im vergangenen Jahr an mehreren Berliner Gymnasien und andernorts Diskussionen mit Schülern und Studenten gestellt habe. Überall sei er durchaus "scharf und unfreundlich" angesprochen worden, unter anderem auch wegen Björn Höckes Forderung nach einer "180-Grad-Wende in der Erinnerungspolitik". Überall habe er, wenn die Situation es erlaubte, darum gebeten, Gegenfragen an seine Gesprächspartner richten zu dürfen. Diese Fragen lauteten beispielsweise: Was war die Emser Depesche, was die Goldene Bulle, was das Mirakel des Hauses Brandenburg? Was beinhalteten die Benesch-Dekrete? Wie hießen die Staatsratsvorsitzenden der DDR? Wann und durch wen wurde die Weimarer Republik ausgerufen? Mit welchem Vertragswerk endete der Dreißigjährige Krieg? Welche Einheit beschwor die SED in ihrem Namen?
Mit Ausnahme einer winzigen Minderheit historisch Interessierter sei niemand im Auditorium in der Lage gewesen, solche Fragen zu beantworten. "Es herrschte historische Demenz", resümiert Fest. Nicht einmal zum Dritten Reich seien unter den jungen Leuten mehr als nur ein paar Stichworte abrufbar gewesen. Die Kenntnis der kommunistischen Staatsverbrechen tendierte erst recht gegen Null. Deshalb habe er den Scholaren die beruhigende Auskunft erteilen können, ihre Furcht vor einer "Erinnerungswende" sei vollkommen unbegründet. Eine Wende setze voraus, dass man überhaupt in irgendeine Richtung segele. Sie aber lägen "fest vertäut im Hafen des historischen Analphabetismus". (Acta diurna; michael-klonovsky.de)
Dank an Klaus Hero